Wie schon bei den letzten Ausgaben veröffentlichen wir an dieser Stelle den einen oder anderen Artikel aus dem vierteljährlich erscheinenden Magazin von ASS. Teil 3: Mit Nico Müller zum Arzt.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zur ärztlichen Tauglichkeitskontrolle und der behandelnde Arzt stellt eine Ungereimtheit fest. Sie werden zum Spezialisten geschickt, entscheiden sich zu einer OP und während dieser erleiden sie einen Herzinfarkt. Was nahezu unvorstellbar klingt, hat der ehemalige Berg-, Slalom- und Rundstreckenpilot Röbi Wicki (61) am eigenen Körper erlebt. «Ich bin dankbar», sagt Wicki. «Hätte ich diesen vorgeschriebenen Test nicht gemacht, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr hier. Ich hätte vermutlich einen Herzinfarkt gemacht – irgendwo bei einem Rennen.»
Das Beispiel von Wicki zeigt: Das medizinische Tauglichkeitszeugnis ist keine Schikane oder eine völlig übertriebene Massnahme, sondern im Gegenteil: eine sicherheits- und gesundheitsrelevante Vorbereitung auf den Einsatz an Rennveranstaltungen. Es soll helfen, mögliche Schäden, die durch gesundheitliche Probleme verursacht werden können, zu verhindern. Wer also eine NAT oder INT Lizenz bei Auto Sport Schweiz beantragt, muss vorgängig zum Arzt und sich vor allem auf Herz, aber auch auf Nieren und sonstige Vitalfunktionen prüfen lassen.
Grundsätzlich gilt: Für eine NAT Lizenz muss beim Arzt eine Blutdruckkontrolle und ein Ruhe- oder Belastungs-EKG gemacht werden. Und zwar alle drei Jahre. Das Belastungs-EKG ist für Fahrer ab 45 Jahren, das Ruhe-EKG für alle unter 45 Jahren Pflicht. Für eine INT Lizenz ist – neben der Blutdruckkontrolle – jedes Jahr eine Arztkontrolle ohne EKG, jedes zweite Jahr ein Ruhe-EKG für unter 45-Jährige und jedes dritte Jahr (neu ab 2022) ein Belastungs-EKG für über 45-Jährige notwendig.
Nico liegt mit seinen jugendlichen 29 Jahren unter dem «kritischen» Alter von 45 Jahren. Deshalb reicht bei ihm ein Ruhe-EKG. Dass dabei beim Schweizer Rennprofi nichts Aussergewöhnliches festgestellt wird, überrascht wenig. Müller ist fit wie ein Turnschuh. Oder beim Anblick seiner abgetragenen Sneakers anders formuliert: fitter als seine Turnschuhe.
Neben dem Elektrokardiogramm muss jede(r) FahrerIn, die/der eine Lizenz bei Auto Sport Schweiz beantragt, aber auch noch andere medizinische Tests bestehen. Allen voran eine augenärztliche Untersuchung. Zwar müssen RennfahrerInnen nicht denselben Durchblick haben wie Katzen im Dunkeln. Doch ein klarer Blick ist für einen Rennfahrer oder eine Rennfahrerin bestimmt kein Nachteil. Was die Sehschärfe betrifft, gibt es deshalb eindeutige Vorgaben. So muss diese (vor oder nach Korrektur) mindestens 9/10 auf jedem Auge oder 8/10 für ein Auge und 10/10 für das andere erfüllen.
Braucht ein Fahrer zur Korrektur seines Sehvermögens Kontaktlinsen, so sind diese unter den folgenden Bedingungen zulässig: a) dass sie bereits seit mindestens zwölf Monaten und täglich über einen angemessenen Zeitraum hinweg getragen wurden. Und b) dass sie durch den verschreibenden Augenarzt als für Autorennen geeignet erklärt wurden. Gleiches gilt für Brillen.
Für Müller stellt keine der geforderten Vorgaben eine Hürde dar. Der Berner, der 2022 nochmals DTM fährt und ab 2023 für Audi in der Langstrecken-WM auf Punktejagd geht, braucht weder eine Sehhilfe, noch lässt er beim Test Zweifel aufkommen, dass etwas mit seiner Sehkraft nicht stimmen könnte. Die Boxentafel am Streckenrand ist für Nico offenbar genauso gut lesbar wie das Kleingedruckte in seinem Audi-Vertrag.
Auch beim Abhören der Lungen kann der Arzt keine Abnormalität bei Müller feststellen. Zwar ist Müllers Atem leicht gehemmt. Aber das liegt an der Maske. Unter Corona-bereinigten Zuständen funktioniert bei Müller alles tadellos und er erhält vom Arzt grünes Licht für eine weitere Saison.
Nun muss er also nur noch das Erneuerungsformular ausfüllen und an Auto Sport Schweiz schicken. Ganz wichtig ist dabei: Die Arztkontrolle darf – bei Einreichen des Lizenzantrages – nicht älter als drei Monate sein.
Bei Fällen, bei denen (anders als bei Müller) eine gesundheitliche Einschränkung vorhanden ist wie beispielsweise Farbenblindheit oder Behinderungen (u.a. Rollstuhl), ist ein Besuch bei einem Vertreter der ärztlichen Kommission notwendig. Infos dazu gibt die Geschäftsstelle von Auto Sport Schweiz unter Tel. 031 979 11 11 oder info@motorsport.ch