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09.06.2019 Eric Berguerand: «Die zwei Minuten schaffe ich auch so»
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Auto Sport Schweiz stellt in diesen Tagen die drei Titelanwärter für die Schweizer Bergmeisterschaft 2019 bei den Rennwagen vor. Teil 2: Herausforderer Eric Berguerand

Wenn am 15./16. Juni in Hemberg die Schweizer Bergmeisterschaft eröffnet wird, steht der Name «Berguerand» nicht nur einmal in der Startliste. Neben Eric, fünfmaliger Schweizer Meister, wird auch Louis Berguerand, stolze 81 Jahre alt, die 1758 Meter kurze Strecke im St.Gallischen unter die Räder nehmen. Gemeinsam betreiben Vater und Sohn eine Autowerkstatt am Rande von Martigny. «Bis vor zehn Jahren hatten wir noch eine offizielle Hyundai-Vertretung», erzählt Eric. «Aber diese warf keinen Profit mehr ab. Deshalb sind wir heute eine Garage für jedermann.»

Berguerand schraubt an allem, was zwei, vier oder mehr Räder hat. Am liebsten ist ihm aber sein Lola FA99. Mit dem jagt er seit 2012 die Berge hoch. Und das ziemlich erfolgreich. Von 2013 bis 2016 konnte ihm in der Schweiz keiner das Wasser reichen. In den beiden vergangenen Jahren war Berguerand jeweils Vizemeister. Obwohl er im Vorjahr aus Gründen der Zuverlässigkeit nur bei vier Rennen antreten konnte, schaffte er noch die Hundert-Punkte-Marke. Drei von vier Rennen gewann er. Darunter sein Heimrennen Ayent-Anzère sowie die letzten beiden Veranstaltungen am Gurnigel und in Les Paccots.

Berguerands Karriere ist zweigeteilt – vor und nach seinem Unfall. Wie Marcel Steiner und Joël Volluz ist auch Berguerand die ultraschnelle Strecke von St.Ursanne nach Les Rangiers zum Verhängnis geworden. Allerdings benötigte Eric deutlich mehr Schutzengel als seine Kontrahenten. «Ich war ein Jahr im Krankenhaus», erzählt Berguerand. «Alles war kaputt, beide Beine, das Becken – alles. Zum Glück hatte ich keine schwerwiegenden inneren Verletzungen.» Was war passiert? Berguerands alter Lola war im Training bei mehr als 250 km/h aufgesetzt. «Ich war nur noch Passagier. Zum Glück erinnere ich mich an nichts mehr. Der Körper klammert das aus. Das hilft bei der Genesung.»

An seiner Einstellung zum Rennsport hat der Unfall nicht viel geändert. Er fahre vorsichtiger, grinst Berguerand. Wer ihn schon einmal mit seinem pechschwarzen Formel 3000 den Berg hochfahren sah, hat Mühe das zu glauben. Dass Bergrennen gefährlich seien, meint er, sei relativ. «Wenn ich sehe, wie viele Leute auf dem Motorrad, mit dem Mountainbike oder dem Gleitschirm verunfallen, dann ist die Quote in unserem Sport sehr niedrig.» Vielmehr als der Unfall seien das Alter und die Erfahrung ein Schutz. Ausserdem wirken seine Kinder, so Berguerand, als natürliche Handbremse.

Vieles hat auch mit dem Sportgerät zu tun. Und da war sein alter Lola ein ziemliches Biest. «Dieser Wagen war schwer zu bändigen. Er war nervös, hat aufgesetzt ist immer wieder ausgebrochen.» Vieles, was damals auch zum Unfall geführt hat, führt Berguerand auf den Unterboden zurück. Den hat er beim neuen Lola FA99 dank jahrelanger Entwicklung so hingekriegt, dass der Wagen heute ruhiger liegt. Viel hat der schwarze Renner mit einem gewöhnlichen Formel 3000 nicht mehr gemein. Neben dem Unterboden, den Berguerand in Eigenregie anfertigt («kostet mich zwei Tage»), hat Eric einen Fundus an Formel-1-Teilen von Force India, den er wahlweise ans Auto schraubt. Neu sind in diesem Jahr die Seitenkästen. Wieviel sie auf der Stoppuhr bringen? «Ich weiss es nicht. Wir werden es erst beim Rennen sehen.» Auch in Sachen Motor hat Eric umgerüstet. Den ehemaligen DFV-Cossie hat er gegen ein leichteres Modell eingetauscht. Auch hier gilt: Probieren geht über Studieren.

Berguerand ist ein Tüftler, ein Bastler und – im positiven Sinne – ein Chaote. In seiner Garage ist er Zuhause. Ein Fremder würde hier keinen Schraubenzieher finden. Auch sein privater Hyundai hat schon bessere Tage gesehen. Die Beinfreiheit für den Beifahrer ist durch allerlei Krimskrams im Fussraum stark eingeschränkt. In den Kofferraum riskiert man lieber keinen Blick. Doch dem Menschen Berguerand tut das keinen Abbruch. Es macht ihn irgendwie sympathisch.

Sportliche Aktivitäten, die zum Alltag eines modernen Rennfahrers gehören, sind nicht sein Ding. Früher stand er oft auf den Skiern. Doch das geht seit dem Unfall nicht mehr. «Die zwei Minuten Fahrzeit den Berg hoch schaffe ich auch so» – ganz nach dem Motto: Zur Not halte ich die Luft an.

Als Junge hat Berguerand im Kart gesessen. Und wie viele Motorsportbegeisterte von damals schwärmt auch er von früher. Mansell gegen Piquet, Senna gegen Prost; «das waren noch richtige Duelle». Einer grossen, internationalen Karriere im Rennsport trauert Berguerand nicht nach. Erstens habe man nie die Mittel dazu gehabt. «Zweitens möchte ich nicht so ein Leben wie Neel (Jani) oder Sébastien (Buemi) leben. Ich bin gerne daheim, bei meiner Familie oder eben in der Werkstatt.»

Der Auftakt in Hemberg wird für Berguerand eine Wundertüte werden. Ohne Test wird es für Eric ein Sprung ins kalte Wasser. Doch Nervosität kennt der «Unzerstörbare» nicht. Berguerand wird mit viel Improvisationskunst schon über die Runden kommen. Ihm geht es um Leidenschaft. Und von der ist beim Walliser sehr viel vorhanden.

Lesen Sie morgen das Porträt von Joël Volluz

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