Die AUTOMOBIL REVUE hat in den vergangenen Wochen mit ihrer Serie «Rennwagen-Porträt» für Aufsehen gesorgt. Wir von Auto Sport Schweiz sind stolz, dass wir die Werke der beiden Autoren Werner Haller und Olivier Derard auch bei uns veröffentlichen dürfen. Teil 1: Der Lola FA99 von Eric Berguerand.
Eric Berguerand hat sich bequem eingerichtet, um an seinem Rennwagen arbeiten zu können. In der Werkhalle an der Rue du Simplon in Martigny VS, die er selbst «Ali Babas Höhle» nennt, steht mit dem berühmten schwarzen Einsitzer eines der genialsten Rennfahrzeuge der Schweiz, der Lola FA99. «Das Fahrgestell stammt von 1999, aber ich habe es nicht neu gekauft. Es gehörte einem österreichischen Team und diente als Reserve, bis das Team sein ganzes Equipment verkauft hat. Für mich war das eine einmalige Gelegenheit, obwohl das Chassis in Einzelteile zerlegt war. Ich habe fast ein Jahr gebraucht, um es zusammenzubauen. Das war 2011, kurz bevor ich wieder anfing, Rennen zu fahren.»
Seither errang Berguerand bei der Schweizer Bergmeisterschaft viele Siege. Der Walliser erklärt, dass er diese Erfolge vor allem seiner harten Arbeit verdankt: «Während der Saison arbeite ich vor allem am Getriebe. Bestimmte Rennen sind schneller als andere, deshalb verändere ich zwischen den Läufen die Übersetzung.» Der eigentliche Grund, warum der Lola in den meisten Rennen, bei denen er an den Start geht, Siege davonträgt, liegt daran, dass Berguerand mit ihm quasi eine untrennbare Einheit bildet: «Wenn ich ins Cockpit steige, ist es, als würde ich meine Socken anziehen», scherzt er und fährt fort: «Mein Wagen ist schon 22 Jahre alt, das Design ist also nicht ganz neu. Manche Fahrer verfügen über Autos, die keine fünf Jahre alt sind. Die müssten eigentlich viel schneller sein. Weil ich den Wagen aber ständig weiter verbessere, komme ich vor den Osella, die vor drei Jahren noch Klassenbeste waren, ins Ziel.»
Der ursprüngliche Rennwagen hat im Grunde nicht mehr viel mit dem Wagen gemein, mit dem Berguerand im vergangenen Jahr die Schweizer Bergmeisterschaft gewann: «Seitdem ich ihn besitze, habe ich ihn von A bis Z umgebaut», fährt der aus Martigny stammende Berguerand fort, «ich habe zum Beispiel den Unterboden nach einem eigenen Entwurf komplett neu gestaltet.» Auch der
Frontflügel ist völlig anders: «Das ist ein Formel-1-Flügel. Den habe ich nicht selbst konstruiert, sondern fertig gekauft. Solche Teile sind kaum noch aufzutreiben. Aus gutem Grund, denn die liegen alle bei mir im Regal! Ich glaube, ich habe vier oder fünf», lacht der Walliser. Auch die anderen Teile der Karosserie stammen aus der Welt der Formel 1: «Ursprünglich sah das Auto völlig anders aus, aber durch die neuen Teile erscheint er mindestens zehn Jahre jünger. Der Cosworth V8 ist als volltragender Motor zwischen Cockpit und Getriebe angeordnet. Den aktuellen Motor habe ich seit ein oder zwei Jahren, aber er ist noch älter als das Auto selbst. Es ist ein 3.0-Liter-Saugmotor aus der Formel 3000, der 485 PS leistet», so Berguerand.
Die beiden Auspuffkrümmer an den Aussenseiten des V8-Motors, dessen Zylinder im 90-Grad-Bankwinkel angeordnet sind, stammen von Mugen und wurden speziell an die Auslassöffnungen der beiden Zylinderköpfe des britischen V8 angepasst. Der Motor verfügt darüber hinaus über ein spezifisches Mapping: «Ich habe das Mapping mit einem befreundeten Renningenieur entwickelt, der Erfahrung mit der Interpretation der ECU-Daten hat. Ich habe ihm meine Daten von den ersten Läufen am Samstag geschickt. Er hat dann die ganze Nacht daran gearbeitet und sie mir am nächsten Morgen zurückgeschickt.» Und um die beweglichen Teile des Motors möglichst zu schonen, achtet Eric Berguerand darauf, den Motor vor jedem Lauf vorzuwärmen. Dazu schliesst er den Kühlkreislauf an einen Durchlauferhitzer an.
Hinter dem Motor liegt das sequenzielle Getriebe, das über Schaltwippen am Lenkrad bedient wird: «Ich habe den Wählschalter ausgetauscht, um dieses effizientere System einzubauen», erklärt Berguerand. Die Dreiecksaufhängungen des Wagens bestehen nicht aus Karbon, sondern aus einem flexiblen Spezialstahl. Ausserdem sind sie so konstruiert, dass sie sich bei einem Unfall verbiegen. Noch beeindruckender ist, dass Bremssättel und Beläge seit 2011 nicht mehr gewechselt wurden: «Bei einem Wagen für Bergrennen sind die Wartungskosten eher gering!»
Lola FA99
Baujahr: 1999
Karrosserie: Monoposto/Einsitzer
L x B x H mm: ca. 4000 x ca. 2000 x ca. 900
Radstand mm: k. A.
Gewicht kg: 575
Motor: V8 (90°) Cosworth 3.0, kundenspezifischer Auspuffkrümmer von Mugen, eigene Kartierung
Leistung PS: 485
0–100 km/h sec: k. A. (O-Ton Berguerand: «Schnell»)
Höchstgeschwindigkeit km/h: 260 (je nach Getriebe)
Fahrgestell: Karbonrahmen, Trägermotor, v./h. Doppelquerlenker, Schubstangen-Aufhängung
AR #16, 17. April 2020, Autor: Olivier Derard, www.automobilrevue.ch