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24.12.2021 GP Nations 1946 – auf Spurensuche in Genf
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Die Rennstrecke des Grand Prix des Nations – so wie sie 1946 genutzt wurde

Vor 75 Jahren fand in Genf der Grand Prix des Nations statt. Es war das erste Rundstreckenrennen in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Auto Sport Schweiz ist auf Spurensuche gegangen.

Wer heute auf der Rue de Lausanne entlang dem Genfersee Richtung Genfer Stadtzentrum fährt, ahnt auf Höhe des Sécheron-Quartiers wohl kaum, dass er sich auf einer ehemaligen Grand-Prix-Rennstrecke befindet. Doch genau hier haben vor 75 Jahren Fahrer wie Giuseppe Farina, Tazio Nuvolari, Achille Varzi oder die Schweizer Toulo de Graffenried und Max Christen den Grand Prix des Nations ausgetragen.

Es war das erste Rundstreckenrennen in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Grosse Teile von Europa waren im Wiederaufbau. So gesehen passten Sportveranstaltungen irgendwie (noch) nicht ins Bild. Doch der Wunsch nach Ablenkung und das Verlangen, sich wieder sportlich zu messen, war gross. Dass ausgerechnet in Genf das erste Rundstreckenrennen der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt wurde, überrascht wenig. In der Calvinstadt wurde Rennsport schon Anfang des 20. Jahrhunderts betrieben. 1903 hat der ACS Genf ein so genanntes Kilometerrennen veranstaltet. 1923, ein Jahr nach der Eröffnung des «Genève Aéroport», wurde im angrenzenden Meyrin der erste Grand Prix der Schweiz ausgetragen.

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Start und Ziel befand sich 1946 auf der Avenue de France (oben). Dort, wo damals eine Zuschauertribüne errichtet wurde, steht heute das Maison de la Paix (rechts). Die überdachte Haupttribüne in Fahrtrichtung links stand dort, wo heute das «Haut Commissariat des Nations unies pour les réfugiés» seinen Sitz hat (r. unten) © bugattibook.com/Eichenberger

Die 2,986 Kilometer lange Strecke für den Grand Prix des Nations führte über drei grosse Strassen (Avenue de France, Avenue de la Paix und Rue de Lausanne) und sah aus der Vogelperspektive wie ein Rückspiegel eines modernen PW’s aus. Dieses «Strassendreieck» gibt es heute noch.

Eine der Schlüsselstellen befand sich am Ende der Avenue Mon Repos, die heute die Verlängerung der Avenue de France bildet. Dort war die Strasse zweigeteilt. Eine Haarnadelkurve führte die Boliden zurück bergauf Richtung Start und Ziel. Auf Höhe der Kreuzung Rue de Lausanne/Avenue de France rasten die Boliden über ein Tramgeleise, wobei eine Schikane aus Brettern und Sandsäcken an der Stelle das Tempo drosselte. Die Tramgeleise gibt es heute noch.

Der Start befand sich an der Avenue de France – nach der Überführung über die Eisenbahnlinie. Dort, wo heute das Maison de la Paix steht, bauten die Organisatoren um Michel Barambon eine Tribüne auf. Die überdachte Haupttribüne befand sich auf der gegenüberliegenden Seite – etwas weiter vorne. Dort, wo heute das «Haut Commissariat des Nations unies pour les réfugiés» seinen Sitz hat. Vereinzelt erkennt man noch Wohnhäuser, die damals schon gestanden haben. Nach Start und Ziel ging es zwei Mal scharf rechts – vorbei am UNO-Gebäude, das 1946 noch der Hauptsitz des Völkerbundes war.

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Das Fahrerlager befand sich zwischen Avenue de France und Avenue de la Paix. Es war idyllisch unter Bäumen im Park der Villa Rigot gelegen (oben und rechts). Die meisten Bäume wurden über die Jahre hinweg entfernt. Vor etwa zehn Jahren hat die Stadt Genf wieder frische Bäume anpflanzen lassen © bugattibook.com/Eichenberger

In der Querspange zwischen Avenue de France und Avenue de la Paix befand sich das Fahrerlager. Idyllisch unter Bäumen mit der Villa Rigot als Dreh- und Angelpunkt des «Grand Prix des Nations». Zahlreiche Bäume mussten in den vergangenen 75 Jahren weichen. Aber die Villa existiert heute noch. Sie beherbergt das Unternehmen «Geneva Cities Hub», eine Plattform, die sich um den Austausch mit anderen Städten kümmert.

Auf der abschüssigen Avenue de la Paix fuhren die Autos dann links am «Monument d’Albert Thomas» vorbei. Auch dieses steht heute noch dort. Was fehlt sind die rot-weissen Randsteine und die Strassenlaternen von anno dazumal.

26 Fahrer liessen sich für den Grand Prix in Genf 1946 einschreiben. Dieser wurde in zwei Vorläufen à 32 Runden (= 94,88 km) und einem Finale über 44 Runden (=130,45 km) ausgetragen. Den ersten Heat gewann der Franzose Jean-Pierre Wimille auf einem Alfa Romeo 158. Der Wagen war werksseitig unterstützt. 18 Mechaniker reisten aus Italien mit einem eigenen Alfa-Werkstattwagen an. Durchgang 2 ging an den Italiener Giuseppe Farina (ebenfalls Alfa 158). Und der Mann der 1950 zum ersten Formel-1-Weltmeister der Geschichte wurde, gewann auch das Hauptrennen. Carlo Felice Trossi und Jean-Pierre Wimille sorgten mit den Plätzen 2 und 3 für einen dreifachen Alfa-Romeo-Sieg. Bester Schweizer war Toulo de Graffenried. Mit zwei Runden Rückstand auf einem privat eingesetzten Maserati 4CL.

Die schnellste Runde drehte Wimille in 1:36,4 min, was einen Schnitt von 111,5 km/h machte.

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Der Schweizer Toulo de Graffenried (#38) vor dem «Monument d’Albert Thomas» am Ende der Rue de la Paix. 75 Jahre später sieht die Stelle immer noch ähnlich aus (rechts). Unten rechts die abschüssige Anfahrt zum Monument mit dem botanischen Garten zur linken Hand © bugattibook.com/Eichenberger

Der Rundkurs in Genf wurde bereits eine Woche vor dem Grand Prix des Nations 1946 für ein Motorradrennen genutzt. Und im Rahmenprogramm des Grossen Preises fand auch ein Sportwagenrennen statt. Der Sieger kam aus Zürich: Hans Waeffler auf einem BMW 328.

Die Genfer Rennstrecke war nach 1946 auch 1948 und 1950 Austragungsort des Grand Prix der Nationen. 1948 gewann erneut Farina. 1950 war die Reihe an Juan Manuel Fangio. Zweiter wurde damals de Graffenried (beide auf Alfa Romeo). Überschattet wurde der GP, der 1950 auf einem auf sechs Kilometer verlängerten Kurs stattfand, von einem tragischen Unfall, der drei Tote unter den Zuschauern und etwa zwei Dutzend Verletzte forderte.

Der Unfall ereignet sich kurz vor Rennende auf Höhe des Internationalen Arbeitsamtes BIT. Ferrari-Pilot Luigi Villoresi rutschte auf seinem eigenen Öl aus und schlug hart in die Abschrankungen ein. Laut Augenzeugenberichten kamen die drei Zuschauer, die beim Unfall starben, nicht durch den Wagen selber, sondern durch Trümmerteile und Bretter, die als Schutz aufgestellt wurden und durch den Crash durch die Luft gewirbelt wurden, ums Leben.

Der tragische Unfall setzte einen Schlussstrich unter die Rennen in Genf.

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Von der damals noch Avenue Mon Repos genannten Strasse (unten rechts) kehrten die Autos mittels einer Haarnadelkurve zur Avenue de France zurück. Dort überquerten sie nicht nur ein Tramgeleise, sie mussten auch eine Schikane aus Brettern und Sandsäcken passieren (oben) © bugattibook.com/Eichenberger

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