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14.02.2022 Grand Prix Erlen – ein Trioval im Thurgau
S1 GP Erlen Motorsport Schweiz | Auto Sport Schweiz
Der Rundkurs von Erlen wurde von 1948 bis 1951 genutzt

Vier Mal – zwischen 1948 und 1951 – wurde der Grand Prix von Erlen ausgetragen. Auf einer Strecke, die eigentlich nur drei Kurven hatte. Auto Sport Schweiz ist auf Spurensuche gegangen.

Kaum zu glauben, aber wahr: Wer heute auf der Hauptstrasse 14 von Romanshorn nach Frauenfeld fährt, befindet sich, kurz nachdem er den Golfclub Erlen passiert hat, auf einer ehemaligen Grand-Prix-Rennstrecke. Start und Ziel war dort, wo heute die Schule Erlen steht. In Fahrtrichtung links stand die überdachte Haupttribüne. Auf der gegenüberliegenden Seite nahmen die Pressevertreter Platz. Als «Schutz» diente ein einfacher Holzzaun. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Auto oder ein Motorrad auf der damals holprigen Fahrbahn nach links oder rechts ausgebrochen wäre…

Auto und Motorrad? Richtig. Das Rennen war für zwei- und vierrädrige Fahrzeuge ausgeschrieben. 1948 und 1949 beschränkte man sich auf einen nationalen Status. 1950 und 1951 wurde auch internationale Konkurrenz eingeladen. Hinter dem ehrgeizigen Projekt steckte der Rundstreckenverein Erlen, der extra für dieses Event gegründet wurde. Die Sporthoheit hatte der ACS Thurgau (bei den Automobilen) und der Ostschweizer Motorfahrer-Verband (bei den Motorrädern).

S2 GP Erlen Motorsport Schweiz | Auto Sport Schweiz
Start und Ziel befand sich auf der 1,2 Kilometer langen Hauptstrasse (oben). Auf der linken Seite sieht man die Haupttribüne. Die Zuschauer waren nur durch einen Holzzaun von der Strecke getrennt. Rechts durften die Pressevertreter Platz nehmen. Heute befindet sich auf Höhe der 50er-Tafel das Schulhaus von Erlen (rechts unten) © Grand Prix Suisse/Eichenberger

Der erste «Ostschweizer Grand Prix» fand am 8. August 1948 statt. Der Zuschaueraufmarsch hielt sich auch aufgrund des schlechten Wetters in Grenzen. Was dem Verein ein mächtiges Loch in die Kasse riss. Sportlich hatte einer die Überhand: Toulo de Graffenried. Der Fribourger fiel kurz nach dem Start nach einer Reifenpanne ans Ende des Feldes zurück, kämpfte sich aber wieder an die Spitze und gewann nach 50 Runden (= 139,25 km) die GP-Premiere im Thurgau auf seinem Maserati 4CL.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit von de Graffenried betrug damals 102 km/h – ein ordentliches Tempo; doch es ging ja die meiste Zeit auch nur geradeaus. Denn die Streckenführung erinnert an ein Trioval. Die Start/Ziel-Gerade war 1,2 Kilometer lang. Am Ende bogen die Fahrzeuge auf Höhe der heute nicht mehr existierenden Metzgerei nach rechts in die Bahnhofstrasse ab. Riedt-Kurve wurde diese Stelle genannt.

Auf dem Weg zum Bahnhof, dort wo heute ein Pneudiscounter untergebracht ist, gab es einen kleinen Rechtsknick direkt vor der Wackertribüne. Dieser ging voll und führte die Fahrzeuge am Bahnhof entlang unter einer Überführung zur zweiten Kurve. An dieser Stelle stehen heute noch Gebäude von damals. Das «Statiönli» zum Beispiel oder der alte Bahnhofschuppen gegenüber der heutigen Lista-Niederlassung an der Fabrikstrasse 1.

Kurve 2 mündet noch heute in die Poststrasse. An dieser befand sich die «S-Kurven-Tribüne». Doch auch dieser Linksknick machte die Autos nicht wirklich langsamer. Vorbei an Gärten rasten die Fahrzeuge auf der Poststrasse Richtung Kradolfer Kurve und damit Richtung Hauptstrasse. Fertig war das Trioval.

S3 GP Erlen Motorsport Schweiz | Auto Sport Schweiz
Grand Prix der Ostschweiz 1951: Maurice Trintignant (Gordini, #26), der spätere Sieger Peter Whitehead (Ferrari, #34) und Toni Ulmen (Veritas, #14) bei der Riedt-Kurve, der Einfahrt in die Bahnhofstrasse auf Höhe der Metzgerei (oben). Und so sieht die erste Kurve heute – 70 Jahre später – aus (rechts) © Archiv Schuler/Eichenberger

Weil die Strecke nicht sehr selektiv war, die Unterschiede bei den Fahrzeugen in der Zeit um 1950 aber enorm gross waren, hielt sich der Unterhaltungswert der Rennen, die von 1948 bis 1951 im Thurgauischen abgehalten wurden, in Grenzen. Das wahrscheinlich spannendste Rennen war auch zugleich das letzte. 1951 waren in der Königsklasse, der Formel 2, sechs verschiedene Hersteller am Start. Neben HWM, Gordini, Veritas, AFM und OSCA standen auch zwei Werks-Ferrari am Start. Der eine, mit dem Engländer Peter Whitehead am Steuer, gewann das Rennen vor dem Schaffhauser Rudolf Fischer, der ebenfalls einen Ferrari fuhr. Pole-Setter Stirling Moss schied auf seinem HWM noch vor Halbzeit des Rennens aus.

Im Rahmenprogramm fanden in Erlen auch diverse Sportwagen-Rennen statt. Immer vorne dabei: der Zürcher Willy Peter Daetwyler, der auf seinem grossvolumigen Alfa Romeo 412 1951 im Training den inoffiziellen Rundenrekord von 1:22,2 min (= 121,970 km/h) aufstellte und nach dem Sieg 1950 auch 1951 auf dem Thurgauer Trioval triumphierte.

Aus budgetären Gründen wurde 1952 auf eine 5. Ausgabe des «Ostschweizer Grand Prix» verzichtet. Als 1953 eine Neuauflage zur Debatte stand, waren die Sicherheitsbedenken bereits zu gross. Die Strecke hätte modernisiert werden müssen. Dazu fehlte aber die finanziellen Mittel. Und so löste sich der Verein 1954 wieder auf. Was bleibt sind Bilder von damals. Ein paar davon hat Auto Sport Schweiz aus dem ehemaligen Archiv des Frauenfelder Rennfahrers Hans Schuler erhalten (siehe auch Facebook). Sie sind der Beweis, dass Motorsport in der Schweiz nicht nur eine weit zurückreichende Tradition hat. Sie lassen einen auch in nostalgische Zeiten zurückreisen – an Orte, wo es heute unvorstellbar wäre, Rennen auszutragen!

S4 GP Erlen Motorsport Schweiz | Auto Sport Schweiz
Der Thurgauer Hans Schuler (Vertitas, #28) vor dem Bahnübergang bei der Einfahrt in die Poststrasse (oben). Im Hintergrund sieht man das Restaurant «Station», das es heute, allerdings mit weniger Fenstern, immer noch gibt (rechts). Die 2,8 Kilometer Strecke war lediglich mit Holzplanken und Sandsäcken gesichert © Archiv Schuler/Eichenberger

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