Durch die Corona-Pandemie erlebt der Motorsport eine Zeit, die viele Unsicherheiten hervorruft. Als Direktor von Auto Sport Schweiz, dem Dachverband des Motorsports in der Schweiz, hat Patrick Falk in einem Interview mit www.swissrally.ch Stellung genommen.
Wir haben Ihnen das Interview auf Deutsch übersetzt.
Herr Falk, können Sie uns die Rolle von Auto Sport Schweiz als Dachverband für den Motor- und Kartsport in unserem Land erläutern?
Patrick Falk: Der Verband «Auto Sport Schweiz (ASS)» steht an der Spitze des Schweizer Automobil- und Kartrennsports. 2004 wurde er von der «Fédération Internationale de l’Automobile» (FIA) zum Träger der nationalen Sporthoheit für die Schweiz ernannt. In dieser Funktion setzt sich der Verband «Auto Sport Schweiz» für die nationale Umsetzung des Internationalen Sportgesetzes ein. Dank einheitlichen Bestimmungen u.a. über Lizenzen, Rennstrecken und Technik sind ein fairer Wettbewerb und die Zukunft des Sports gesichert. Gleichzeitig ist der Verband auch leistungsstarker Motor der Schweizer Automobil- und Kartrennszene. Mit viel Engagement werden die rund 3000 lizenzierten Fahrerinnen und Fahrer und die über 500 Funktionäre betreut, beraten und gefördert. Der Verband setzt sich zum Ziel, den Automobil- und Kartrennsport in der Schweiz weiter aufzubauen und mit innovativen Lösungen und Partnerschaften nachhaltig auszubauen. Gemäss des von der FIA anerkannten Abkommens zwischen ASS und dem ACFL erstrecken sich alle Kompetenzen und Verantwortungen des ASS auch auf das Fürstentum Liechtenstein.
Auto Sport Schweiz ist ein «kleiner» Sportverband in unserem Land, wenn man ihn beispielsweise mit dem Schweizerischen Fussballverband oder dem Schweizerischen Eishockeyverband vergleicht. Müssen wir wegen der Corona-Krise finanziell um die Nachhaltigkeit von Auto Sport Schweiz fürchten?
Dies führt in der Konsequenz dazu, dass auch Auto Sport Schweiz mit enormen Einnahmeneinbussen rechnen muss. Im Gegensatz zu anderen Verbänden, welche in erster Linie über Mitgliederbeiträge, Vereinsbeiträge, Schiedsrichterfonds, Nationalteam-Events etc. finanziert werden, ist Auto Sport Schweiz stark abhängig vom laufenden Rennbetrieb. Wenn keine Rennen/Meisterschaften stattfinden, dann ergeben sich auch praktisch keine bis wenige Einnahmen. Der «Pandemieführungsstab ASS» von Auto Sport Schweiz hat in Zusammenarbeit mit unserer Treuhandfirma die Situation analysiert und festgestellt: Dank umsichtiger und vorsichtiger Geschäftsführung in den letzten Jahren dürfte man 2020 mit einem (dunkel-)blauen Auge finanziell überstehen und kann die Liquidität für die kommenden Wochen und Monate sicherstellen.
Können Sie auf finanzieller Ebene eine erste Einschätzung der finanziellen Verluste, die Auto Sport Schweiz durch diese Pandemie erleidet, machen?
Anlässlich der bisher getätigten Analysen kann davon ausgegangen werden, dass wir rund Dreiviertel der für 2020 geplanten Einnahmen nicht erreichen werden. Eine enorme Summe, welche unser Jahresergebnis massiv beeinträchtigen wird, zumal die fixen monatlichen Ausgaben (Löhne, Mieten, Infrastrukturen, Druckerzeugnisse, IT/EDV, etc.) in vielen Punkten gleichbleiben werden.
Wie sieht der Alltag im Büro von Auto Sport Schweiz derzeit aus? Ist das Büro offen und was sind die wichtigsten Anfragen, die Sie erhalten?
Aufgrund des ausbleibenden Tagesgeschäftes mussten wir Kurzarbeit anmelden und die sechs Angestellten arbeiten grösstenteils im Home-Office. Die Öffnungszeiten der Telefonzentrale wurden dem aktuellen Aufwand angepasst und auf vier Stunden pro Tag reduziert. Während im Bereich Technik nach wie vor aktuelle Fragen und Abklärungen seitens von Piloten oder Herstellern getätigt werden, ist im Lizenz- und Meisterschaftsbereich die Arbeit komplett eingebrochen. Wenige Piloten erkundigen sich nach einer möglichen Rückzahlung der Lizenzgebühren. Primär solche Piloten, welche ihre Lizenz nur für ein Rennen gelöst hatten, welches zwischenzeitlich abgesagt wurde. Viele Piloten zeigen sich sehr solidarisch und warten den weiteren Verlauf der Saison ab und ermöglichen uns so, dass wir uns finanziell auch in dieser schwierigen Zeit über Wasser halten können.
Wer von den Leuten, mit denen Sie in Kontakt stehen, scheint am meisten besorgt zu sein und warum?
Am meisten in Kontakt stehen wir aktuell sicher mit Veranstaltern. Sei es, weil sie sich Sorgen um ihre noch anstehende Veranstaltung und deren Durchführung machen, oder aber weil sie ihren Event aus verschiedenen Gründen absagen müssen.
Die Gesundheitskrise bedeutet auch eine erhebliche negative Auswirkung auf die Wirtschaft im Allgemeinen. Glauben Sie, dass der Motorsport stark von den Schwierigkeiten betroffen sein wird, mit denen die Schweizer Wirtschaft konfrontiert wird?
Der Motorsport und insbesondere der Schweizer Automobil- und Kartrennsport wird sicher von dieser Krise im Gesundheitswesen getroffen. Insbesondere der Verband, die Veranstalter, die Streckenbetreiber sowie professionelle Serien und Teams erleben eine schwierige Zeit. Natürlich ist es auch für alle Pilotinnen und Piloten schwierig, da sie ihrem liebsten Hobby nicht nachgehen dürfen. Der wirtschaftliche Impact wird primär die direkt involvierten Komponenten treffen. Diesen Einfluss abschätzen zu können ist aktuell extrem schwierig. Viele werden erst nach Beendigung der Krise in ihre Finanzbücher schauen können und auch erst dann erkennen, wie hoch der Schaden sein wird. Neben den Finanzen gilt es aber insbesondere auch die Motivation beizubehalten und die grundsätzlich positive Einstellung von Motorsportlern hilft hier zusätzlich und ich bin mir sicher, dass trotz vieler privater Schwierigkeiten die Moral gut ist und sich die Leute auf kommende Rennen freuen.
Glauben Sie, dass auch die Organisatoren Opfer dieser Gesundheitskrise werden? Werden wir die Einstellung bestimmter Veranstaltungen/Wettkämpfe erleben, die im nächsten Jahr nicht mehr stattfinden können?
Bereits jetzt haben wir Veranstalter, welche nebst anderen Gründen auch aufgrund fehlender Einnahmen aus dem Bereich Sponsoring auf die Austragung 2020 verzichten mussten. Geht man von einer klassischen dreiteiligen Finanzierung eines Anlasses aus (1/3 Nenngelder, 1/3 Sponsoring, 1/3 Zuschauereinnahmen), dann sind der Bereich Sponsoring und der Bereich Zuschauereinnahmen nur schlecht oder praktisch gar nicht zu planen. Auch wenn 2020 zahlreiche Veranstaltungen abgesagt wurden, hoffe ich sehr, dass dies keinen Einfluss auf die Zukunft der Veranstaltungen haben wird. Bei all den schlechten Nachrichten und Absagen dürfen wir doch auch freudig zur Kenntnis nehmen, dass mit dem Bergrennen La Roche-La Berra eine Veranstaltung wieder neu lanciert und für die kommende Saison 2021 eingeplant wird.
Sprechen wir über die Zukunft: Wer entscheidet innerhalb von Auto Sport Suisse Schweiz, ob die verschiedenen Meisterschaften 2020 beibehalten oder gestrichen werden?
Die Kommissionen von Auto Sport Schweiz welche sich mit den verschiedenen Meisterschaften befassen (Comité Meisterschaft, Rallye, Karting) haben den Auftrag erhalten eine Situationsanalyse zu erstellen und diese der Nationalen Sportkommission (NSK) bis Mitte Mai 2020 vorzulegen. Diese Analyse gemeinsam mit den Vorgaben des Bundes werden dazu genutzt, dass sich die NSK über die verschiedenen Meisterschaften unterhalten und das weitere Vorgehen beschliessen wird. Die Reglemente sehen bereits jetzt verschiedene Szenarien vor wobei es durchaus sein kann, dass die NSK aufgrund der speziellen Situation auch spezielle Entscheidungen treffen wird.
Welches ist das aktuelle interne Verfahren, um zu entscheiden, ob die Schweizer Rallye-Meisterschaft 2020 beibehalten wird oder nicht?
Das Komitee Rallye erstellt aufgrund der vorliegenden Informationen sowie der zahlreichen geführten Gespräche (mit der AOR, mit den Komitee Mitgliedern, mit den Veranstaltern, den Promotoren) eine Analyse und einen Vorschlag zu Handen der Nationalen Sportkommission. Diese wird anschliessend über das weitere Vorgehen entscheiden. Es ist sicher im Sinne des Sportes 2020 eine Schweizer Meisterschaft Rallye durchzuführen, aber sicher nicht um jeden Preis. Viele Faktoren müssen sowohl im In- wie auch im umliegenden Ausland stimmen, um eine sportlich vertretbare Schweizer Meisterschaft durchführen zu können und diesem Umstand der Sportlichkeit muss zwingend Rechnung getragen werden.
Wann glauben Sie, dass Auto Sport Schweiz sich dazu äussern kann, ob die Schweizer Rallye-Meisterschaft beibehalten werden soll oder nicht?
Ich bin leider weder Prophet noch Hellseher, und es sind so viele externe Faktoren entscheidend, um hier eine klare Aussage zu machen, dass es Stand heute, 28.04.2020, unmöglich ist, eine Prognose zu erstellen. Es gilt unsererseits vorerst die Gesundheit aller Beteiligten in den Fokus zu stellen und hierfür halten wir uns in jedem Fall an die Vorgaben vom Bundesrat und vom BAG. Sobald sich dieser gezielt bezüglich Durchführung von Grossveranstaltungen und deren Vorschriften geäussert hat, können wir konkrete Planungen für die restliche Saison angehen. Es braucht von allen Seiten nach wie vor Geduld und viel Verständnis.
Wie sehen Sie persönlich die Zukunft des Motorsports auf kurze Sicht und bis 2022/2023?
Die laufenden Entwicklungen auf den verschiedenen Stufen im Automobil- und Kartrennsport sind immens und vielfach auch von den Herstellern abhängig. Ich bin sicher, dass der Motorsport seine Faszination beibehalten und wo möglich sogar noch ausbauen wird. Gleichwohl dürfen wir uns den neuen Technologien (Stichwort: Elektrofahrzeuge, Wasserstoff, etc.) nicht verschliessen und auch neue Trends (SIM-Racing) beobachten und wo möglich fördern und integrieren. Auch wenn die «grüne Welle» aktuell sehr trendig ist, bin ich überzeugt, dass unser Sport auch in Zukunft nichts von seiner Anziehungskraft verlieren wird und weiterhin vielen Leuten grosse Freude bescheren wird.
Was können wir Ihnen persönlich wünschen?
Ich wünsche mir in der heutigen Zeit noch mehr als sonst gesund zu sein. Wünschen Sie mir eine gute Gesundheit und Sie machen mich trotz der Krise noch ein Stück glücklicher!