Am Wochenende nimmt die DTM nach dreiwöchiger Pause mit zwei Doppelveranstaltungen im belgischen Zolder wieder Fahrt auf. Die Ausgangslagen für die beiden Schweizer Nico Müller und Fabio Scherer könnten nicht unterschiedlicher sein.
Unterschiedlicher könnten die Ausgangslagen für Nico Müller (28) und Fabio Scherer (21) kaum sein. Der eine fährt in den verbleibenden drei Rennen um die Meisterschaft in der DTM, der andere um Anerkennung und die ersten Punkte in Europas Top-Tourenwagenserie. Beiden wäre das Erreichen ihrer Ziele zu gönnen. Harte Arbeit sollte sich schliesslich auch auszahlen. Doch für beide steht eine harte Bewährungsprobe an.
Im Falle von Nico Müller könnte man aus Schweizer Sicht sagen, er habe schon erreicht, als jeder andere Eidgenosse in der DTM. Doch wer Nico kennt, weiss, dass er nach Platz 2 im Vorjahr diesmal ganz oben stehen will. Den Überflieger der vergangenen drei Jahre, René Rast, scheint er in dieser Saison im Griff zu haben. Ungemach droht dem Berner aus den eigenen Reihen. Bei ABT-Teamkollege Robin Frijns ist dieses Jahr der Knoten geplatzt. Zwar steht es bei den Siegen 5:3 für Müller, doch Frijns hat seit Assen Boden gut gemacht. Der schnelle Niederländer gewann drei Rennen, wurde zwei Mal Zweiter und einmal Fünfter. Müller verbuchte im selben Zeitraum «nur» zwei erste, zwei dritte und zwei fünfte Plätze. «Ich bin überzeugt, dass Robin einer der talentiertesten Rennfahrer auf diesem Planeten ist», sagt Müller. «Und ich bin jedes Mal stolz, wenn ich ihn schlage.»
Der momentane Vorsprung Müllers bei noch sechs Läufen (4x Zolder, 2x Hockenheim) beträgt 18 Punkte. Müller, der in diesem Jahr seit dem ersten Rennen in Führung liegt, weiss, dass er sich darauf nicht ausruhen kann. Ein Rennen wie am Nürburgring, wo Müller durch einen defekten Sensor eingebremst wurde, könnte matchentscheidend sein.
Dass Müller in seiner siebten DTM-Saison auch politisch gereift ist, zeigt seine Haltung. Der Blondschopf, der einst bei Jenzer seine Sporen abverdient hatte, sieht sich nicht als der Gejagte. «Für mich bleibt Rast (Rückstand 47 Punkte) als der amtierende Champion immer noch derjenige, den es zu schlagen gilt», sagt Müller und reicht damit die Favoritenrolle geschickt weiter.
Von Siegen oder gar Podien kann Fabio Scherer derzeit nur träumen. Im privaten WRT-Team jagt der gebürtige Luzerner noch immer seinem ersten Punkt in der DTM hinterher. In der Lausitz verpasste er Rang 10 um 0,25 Sekunden. Am Nürburgring lag er auf Punktekurs, als ihn ein Überrundeter aus dem Rennen kegelte. «Das war besonders ärgerlich», sagt Scherer. «Ich startete zum ersten Mal in den Top 10 und war gut unterwegs. Aber so ist halt Rennsport. Irgendwann steht mir das Glück auch zur Seite.»
Scherers «Pech», wenn man das so nennen darf, ist die Konstanz. Seit er im Automobilsport Fuss gefasst hat (2016), ist er jedes Jahr für ein anderes Team und meistens auch in einer anderen Meisterschaft gefahren. «Ich komme mir ein wenig vor wie damals 2018 in der Formel 3 Euroserie, als ich für Motopark unterwegs war», sagt Scherer. «Auch damals fühlte ich mich im Team wohl, begann mich zu etablieren, wusste aber dass es die Meisterschaft im darauffolgenden Jahr in dieser Form nicht mehr geben wird.» Dasselbe ist ihm nun in der DTM widerfahren. Zwar gibt es 2021 wieder eine DTM (mit GT3-Autos), doch Scherer weiss jetzt schon unabhängig von seinen Plänen, dass er sich im kommenden Jahr erneut auf ein neues Fahrzeug und eine neue Serie einstellen muss.
Ob Müller und Scherer 2021 in der DTM erneut aufeinandertreffen, ist derzeit noch offen. Müller hat angedeutet, dass er Interesse an der neuen DTM bekundet. Gleiches gilt für Scherer. Doch unisono sagen beide: «Es ist noch zu früh, um die Weichen zu stellen.» Der Fokus gilt jetzt erst einmal den letzten Rennen und dem Erreichen zweier komplett unterschiedlicher Ziele.