Wie schon bei den letzten Ausgaben veröffentlichen wir an dieser Stelle den einen oder anderen Artikel aus dem vierteljährlich erscheinenden Magazin von ASS. Teil 3: Das Motorsport-Archiv von Urs Hauenstein.
Wollten Sie nicht schon lange wissen, wer 1965 beim Bergrennen von Le Châble nach Bruson bei den Tourenwagen bis 700 cm3 den dritten Platz belegte? Oder beim Slalom Thun 1963 hinter Hans Affentranger die zweitschnellste Zeit in der Gruppe IV erzielte?
Im Internet findet man dazu nichts. Dafür im Schweizer Motorsport-Archiv von Urs Hauenstein in Wangenried im Kanton Bern. Zwei Räume sind dort am Reutergässli 7 bis unter die Decke mit Motorsport-Zeitschriften, - Büchern und sonstigen -Dokumenten gefüllt. Wer sich für die Historie des Schweizer Rennsports interessiert, ist hier definitiv an der richtigen Adresse.
Der Grossteil des Archives stammt von Gründer und Besitzer Urs Hauenstein. Der Aargauer mit Jahrgang 1944 war selber Rennfahrer. 1992 erarbeite er in einem Bildungsurlaub eine Semesterarbeit über die Geschichte der Schweizer Sport- und Rennwagen von 1955 bis 1992. Diese hat ihn, obwohl längst abgeschlossen, nie mehr losgelassen.
Hauenstein ist aber nicht der Einzige, der, was die Geschichte des Schweizer Motorsports betrifft, im positiven Sinne ein Rad ab hat. Neben Hauenstein zählen Max Kilchenmann, Hansruedi Küpfer, Jürg Kaufmann und Hans-Rudolf Howald, der die Infrastruktur stellt, zu den Eckpfeilern des Archivs. Jeden Mittwochabend treffen sie sich, tauschen sich aus, scannen Bilder oder Zeitungsausschnitte ein und gehen Geschichten nach, die ohne sie längst in Vergessenheit geraten wären.
Das Archiv wirft kein Geld ab. Es wird ehrenamtlich betrieben. Rund zehn Prozent dessen, was möglich wäre, ist digital erfasst. «Um alles digital zu haben, müssten wir drei bis vier Leute einstellen», sagt Kilchenmann. Dieser Aufwand stünde in keinem Verhältnis. Dafür gibt es viel zu wenig Klientel. Doch wer greift überhaupt auf die Racing-verrückten Provenienz-Forscher zurück? Oft, sagt Hauenstein, seien es Leute, die einen historischen Rennwagen gekauft haben oder einen kaufen wollen und an deren Geschichte interessiert sind. «Da können wir dann helfen und stossen manchmal auf interessante Details. Erst kürzlich sind wir einem Fahrzeug mit angeblich drei verschiedenen Chassisnummern nachgegangen…»
Hauenstein & Co. helfen auch gerne Autoren bei ihrer Recherche für Bücher. Ein Grossteil des Materials zum Buch Herbert Müller – «alles zu langsam!» stammt aus Wangenried. Auch der Bildband über den Schweizer Rennwagenzauberer Edi Wyss hat seinen Ursprung im Hauenstein-Archiv. «Als Edi uns von seinem ersten Rennen erzählte», sagt Kilchenmann, «mussten wir ihn aufklären, dass das gar nicht sein erstes Rennen war!»
Auch Jürg Kaufmann, langjähriges NSK-Mitglied, ehemaliger Rennfahrer und passionierter Rennsport-Fotograf, hat viel zum grössten Motorsport-Archiv der Schweiz beigetragen. In stundenlanger Arbeit hat er zig Tausend Fotos aus den Sechziger-, Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren eingescannt und beschriftet. Weil sich Kaufmann nicht nur auf die Top 3 eines Bergrennens, Slaloms oder einer Rallye konzentrierte, sondern auch die «Exoten» knipste, ist sein Fundus von grosser Bedeutung.
Die grösste Bedeutung des Archivs kommt aber immer noch den vier Protagonisten rund um Urs Hauenstein zu. Ihr Wissen, ihr Erinnerungsvermögen und vor allem ihre Leidenschaft halten die Historie des Schweizer Rennsports mit am Leben.
Ach ja, und für alle, die es doch noch Wunder nimmt: Platz 3 beim Bergrennen Le Châble-Bruson in der kleinsten Tourenwagen-Klasse 1965 ging an Gérald Storrer auf NSU Prinz in einer Zeit von 6:50,2 min. Platz 2 hinter Hans Affentranger beim Autoslalom in Thun sicherte sich Walter Vitale aus Hünibach. All das kann man in Wangenried (unter Voranmeldung) nachschlagen...
Nicht wegwerfen!
Immer wieder wandern in der Schweiz Privat-Archive von ehemaligen Rennfahrern oder Offiziellen im Müll. Dringen solche Meldungen nach Wangenried durch, zucken Hauenstein & Co. zusammen. Deshalb ihr Aufruf: «Bitte nichts wegwerfen!» Lieber eine e-Mail an uha@hauenstein-archiv.ch – «wir holen das Material sogar ab», sagt Hauenstein. Auch für Private, die über ein Archiv verfügen und dieses nicht oder noch nicht abgeben wollen, ist das Hauenstein-Archiv die ideale Adresse. «Wir nehmen Privatarchive auch leihweise zu uns und scannen sie ein», sagt Kilchenmann. Der Vorteil für den Besitzer: Er kriegt nicht nur sein Archiv zurück, sondern auch einen Stick, wo alle Daten digital abgespeichert sind. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.hauenstein-archiv.ch