Die AUTOMOBIL REVUE hat in den vergangenen Wochen mit ihrer Serie «Rennwagen-Porträt» für Aufsehen gesorgt. Wir von Auto Sport Schweiz sind stolz, dass wir die Werke der beiden Autoren Werner Haller und Olivier Derard auch bei uns veröffentlichen dürfen. Teil 4: Der Formel-4-Tatuus von Thomas Zürcher.
Er sei «giggerig» wie selten zuvor, sagt Thomas Zürcher. Doch seine jüngste Liebe hält den 49-Jährigen hin. Seit Ende 2018 besitzt der Berner einen Formel-4-Rennwagen, mit dem er sich seither nur auf ein paar Dates getroffen hat. Letztes Jahr, bei einigen Slalom- und Bergrennen, ging Zürcher schon mal auf Tuchfühlung, ehe er im Juli endlich neu motorisiert angreifen wollte, dabei die Karre aber buchstäblich an die Wand fuhr. Nach dem Unfall beim Bergrennen in Anzère (VS) war der F4 Schrott. Zürcher sehnte sich nach dem Saisonstart 2020 – nun funkt ihm die Corona-Krise dazwischen. Dabei braucht der fünfmalige Champion des Renault-Clio-Cups doch dringend Erfahrungskilometer im Monoposto: «Der Wechsel von Front- auf Heckantrieb fordert mich. Am meisten zu schaffen macht mir aber die Umsetzung der Aerodynamik.»
Mehr denn je möchte nicht nur Zürcher wissen, zu was sein in Kooperation mit Jenzer Motorsport optimierter Bolide tatsächlich taugt. Vom F4 stammen noch das Chassis und das Fahrwerk. «Front- und Heckflügel stammen wie das Auto vom italienischen Rennwagenbauer Tatuus. An den originalen F4-Flügeln ist wenig dran, doch für die Slaloms und Bergrennen brauche ich mehr Abtrieb. Deshalb hatte Andreas Jenzer die Idee mit den wuchtigeren, grösseren F3-Flügeln», erklärt Zürcher. Das war ihm aber noch nicht genug, weshalb er am Frontflügel auch selbst Hand anlegte: «Die schwarzen Abrisskanten, die Gurney-Flaps, an den hintersten blauen Flügelteilen sind Eigenbau und sorgen für noch mehr Abtrieb.»
Aber auch hinten am F4-Boliden hat Zürcher für noch mehr Anpressdruck gesorgt, und das nicht bloss mit einem ebenfalls wuchtigeren Heckflügel: «Der Diffusor ist grösser als beim F4, und den Unterboden haben wir über die Hinterachse hinausgezogen.» Auf dem Seitenkasten vor dem linken Hinterrad sorgt ein Lufteinlass für Aufsehen. Denn eigentlich gehört der bei einem F4 nicht dahin. Diese Eigenkonstruktion aus dem Hause Jenzer ersetzt die Lufthutze über dem Kopf des Fahrers. «Nun bekommt der Turbo frischere, kühlere Luft zugeführt», sagt Zücher. «Original hat ein F4 im rechten Seitenkasten die Wasserkühlung und links die Ladeluftkühlung plus eine kleine zusätzliche Wasserkühlung. Letztere haben wir weggelassen, dafür wurde der Ladeluftkühler vergrössert.» Nächste Schritte könnten die Entfernung der oberen Lufthutze plus die Einmittung des Auspuffs sein. Beides dient einer noch besseren Aerodynamik.
Die beste Aerodynamik und Kühlung nützen aber wenig, wenn die Motorleistung nicht stimmt. Der originale Abarth kam bald in die italienische Motorenschmiede LRM – vorerst aber nicht zwecks mehr Leistung, verrät Zürcher: «Mit dem Original, einem 1.4-Liter-Turbo, hätte ich in der Schweizer Meisterschaft gegen Eric Berguerand und dessen Formel-3000-Ungetüm fahren müssen – und wäre chancenlos gewesen. Also kam Andreas Jenzer die Idee eines Motors mit 1170 Kubikzentimetern.» LRM benötigte Zeit, also musste der Berner die Saison 2019 mit dem Originaltriebwerk starten. Die Freude bei Zürcher blieb aber aus, als bei einem Rundstreckentest trotz überholten Motors das Aha-Erlebnis ausblieb: «Zwischen 3000 und 5000 Touren ist nichts passiert, erst ab 5000 bis
7000 Touren war die Leistung o. k. Kurzum: Der Motor war so für mich nicht fahrbar. Im Training zum Bergrennen in Anzère musste ich nach der Spitzkehre drei-, viermal nachkuppeln, um das Auto auf Touren zu bringen.» Der Motor wurde über den Winter überarbeitet und weiterentwickelt, aber erst nachdem er nach dem Unfall im Wallis aus dem Schrotthaufen geschält worden war. Also musste sich Zürcher wieder gedulden. Und als endlich die Saison 2020 vor der Türe stand, kam Corona dazwischen. «Auf dem Prüfstand funktioniert der Motor nun im Bereich von 3000 bis 5000 Touren. Aber eben, ich bin ihn noch nie gefahren. Wirklich, ich bin mittlerweile ziemlich geladen!» Oder anders ausgedrückt: Thomas Zürcher wird sich mit seiner neuen Liebe noch auf ein paar Dates mehr einlassen müssen, ehe der Berner und sein Tatuus F4-LRM-Turbo endlich zu einer Einheit verschmelzen können.
TATUUS F4
Baujahr: 2015
Karosserie: Monoposto Tatuus F4
L x B x H mm: 4350 x 1750 x 950
Radstand mm: 2750
Gewicht kg: ca. 495
Motor: 1170 cm3 LRM-Turbo
Leistung PS: ca. 280
0–100 km/h sec: unter 5
Höchstgeschwindigkeit km/h: je nach Übersetzung
Fahrwerk: Oram
AR #17, 23. April 2020, Autor: Werner Haller, www.automobilrevue.ch