Die AUTOMOBIL REVUE hat in den vergangenen Wochen mit ihrer Serie «Rennwagen-Porträt» für Aufsehen gesorgt. Wir von Auto Sport Schweiz sind stolz, dass wir die Werke der beiden Autoren Werner Haller und Olivier Derard auch bei uns veröffentlichen dürfen. Teil 7: Der Renault Clio II Sport von Philipp Krebs.
Philipp Krebs und sein Renault Clio II Sport sind ein sehr gut eingespieltes Team. Logisch, denn schon seit 2004 ist der kleine Zweiliter-V16-Franzose im Besitz des 58-jährigen Berner Oberländers. Sehr viel mehr Rennfahrzeuge hat Krebs zuvor nicht bewegt. Nachdem er 1989 bereits 27-jährig den Titel in der Schweizer Kartmeisterschaft geholt hatte, legte er sich zuerst einen Toyota MR2 zu. Mit dem schnittigen Zweisitzer aus Japan hatte Krebs Anfang der 1990er-Jahre auch schon bald Erfolg. «Aber das war nur logisch, weil ich in meiner Rennklasse ein Einzelgänger war. Als ich nach dem ersten Sieg allein auf dem Podest stand, schoss mir durch den Kopf: ‹O. k., Philipp, das hier ist ziemlich peinlich, und das willst du auf keinen Fall nochmals erleben.›»
Also beendete Krebs das Jahrzehnt mit seinem ersten Renault, dem Clio I. Aber nach nur drei Jahren wechselte er auf einen Megane, mit welchem er 2002 den Gesamtsieg im Renault-Megane-Classic- Cup holte. «Aber der Clio sagte mir eigentlich schon sehr zu», erinnert sich der Berner. Also folgte bald der Renault Clio II – er sollte sehr lange das Auto seiner Wahl bleiben. In den vergangenen 16 Saisons haben die beiden, Krebs und der Clio II, bei Bergrennen, Slaloms und auf der Rundstrecke insgesamt 72 Podestplatzierungen – davon 31 Siege – herausgefahren. «Diese sollen in Form von goldenen, silbernen und bronzenen Lorbeer-Stickern am Clio verewigt werden», sagt Krebs stolz. Die zwei grössten und wichtigsten Lorbeer-Sticker kleben bereits an der Frontscheibe seines vierrädrigen Partners: links oben jener für seinen überragenden Gewinn des Bergpokals 2019 und rechts oben jener für den Gesamtsieg beim Renault-Clio-Classic-Cup im selben Jahr.
So selbstverständlich, wie sie anmuten, sind diese Erfolge nicht, wenn man Philipp Krebs glaubt. Denn der kleine Clio II sei ein Biest, wenn man ihn nicht beherrsche, sagt der Clio-Intimus. Schon viele Piloten hätten ihren Übermut mit einem letztlich teuren Abflug bezahlt, erinnert sich Krebs. «Der Clio II ist auf der Hinterachse extrem aggressiv. Vieles betreffend der Autos ist im Clio-Classic-Cup geregelt, deshalb sind viele Teile original. Also musst du das Auto einstellen, du musst mit Spur, Sturz und Hinterachse arbeiten. Es ist wie ein Ritt auf der Kanonenkugel.» Der Clio II, seit 1998 auf dem Markt und bis 2004 hergestellt, hat mit den Jahren auch Nachfolger bekommen, den Clio III (von 2005 bis 2014 produziert), den Clio IV (2012 bis 2019) und den Clio V (ab 2019).
Auch die beiden jüngsten Clio-Modelle sind beim Renault-Clio-Classic-Cup zugelassen. Diese seien aber gutmütiger, sie seien gemütlicher zu fahren, vergleicht Philipp Krebs die Charaktere der Generationen. «Der Fahrer wird demnach zum entscheidenden Faktor. Ein Beispiel: In einem Feld mit vielen Clio III bleiben die Spitzenfahrer zwar vorne, aber die Langsamsten verlieren wenig Zeit. In einem Feld mit Clio II hingegen sind die Zeitabstände deutlich grösser, eben weil dieses Fahrzeug aggressiver ist und kaum Fehler verzeiht. Der Clio II verlangt viel Gefühl vom Fahrer.» Oder in der Rennfahrersprache: Der Clio II ist einer für das Popometer – das Gesäss des Racers, das Informationen zum Fahrverhalten des Autos liefert.
Das tönt nach ziemlich viel Racingfeeling – und das im Vergleich zu anderen Rennklassen für wenig Geld. «Die Kosten für eine Berg- und Slalomsaison sind überschaubar», sagt Krebs. «Der Zweiliter-16V-Motor ist ein kleines Laufwunder, der hält ewig! Aber wir dürfen ja gemäss Reglement fast nichts ändern. Bei meinem Clio ist alles original bis auf das Motormanagement von Magnetti Marelli, was die grösste Leistungssteigerung von rund 13 PS bringt. Das Getriebe, ein reinrassiges, sequenzielles Sportgetriebe, und die Kupplung muss ich etwa alle zwei Jahre prüfen.» Neben Lizenzgebühr und Startgeld kostet Krebs eine Saison nur rund 8000 bis 10 000 Franken, also rund 1000 Franken pro Rennen – vorausgesetzt, der Tanz auf der Rasierklinge endet nicht in den Leitplanken: «Neben den Pneus fürs Training brauche ich einen Satz für die Rennen, aber diese Reifen halten eine Saison.» Ebenso halte sich der übrige Aufwand in Grenzen, sagt Krebs: «Nach einem Rennen hake ich die üblichen Kontrollarbeiten ab, gegebenenfalls wechsle ich noch das Getriebeöl. Aber damit hat es sich bereits.» Das Preis-Leistungs-Verhältnis für dieses «sehr geile Rennauto» stimme.
Natürlich hat Philipp Krebs seinen Clio II mit den Jahren lieb gewonnen. «Als ich letztes Jahr beim Finale der Bergsaison in Les Paccots meine Titel geholt habe, hat der Clio einen dicken Kuss auf die Motorhaube gekriegt. Ein Auto lebt nicht, und es hat gewiss auch keine Seele – trotzdem spreche ich öfter mit meinem Clio, und auf der Strecke antwortet er mir», sagt der erfahrene Pilot. 2004 hat er seinen kleinen Racer erworben – abbruchreif! – und ihn mit seinem Mechanikerkumpel Markus Müller von Grund auf neu aufgebaut. Das schweisst zusammen. Trotzdem: Philipp Krebs möchte mit seinem Popometer gerne noch ein anderes, stärkeres Auto fühlen, «was aber zwangsläufig auch nach mehr Geld beziehungsweise nach finanzieller Unterstützung schreit», sagt der Berner und lächelt. Wie werden sehen, was kommt.
RENAULT CLIO II 16V SPORT
Baujahr: 2002
Karosserie: Kleinwagen, 3-türig
L × B × H mm: 3773 × 1639 × 1409
Radstand mm: 2472
Gewicht kg: 910
Motor: 4-Zylinder, 2.0 l, 16V, Frontantrieb
Leistung PS: 195 (230 Nm, 7200/min)
0–100 km/h sec: k. A.
Höchstgeschwindigkeit km/h: 230
Fahrwerk: v./h. höhenverstellbar; v. Querlenker, h. Verbundlenkerachse; v./h. Scheibenbremsen
AR #21, 22. Mai 2020, Autor: Werner Haller, www.automobilrevue.ch