Nico Müller tanzt 2023 auf zwei Weltmeisterschaften: der Formel E mit ABT Cupra und der WEC mit Peugeot. Warum es bei den Elektrorennern bisher nicht nach Plan gelaufen ist, erklärt er uns im ersten Teil dieses Interviews.
Nico Müller hat schon vor dem Saisonauftakt der Formel E darauf hingewiesen, dass man in den ersten Rennen nicht zu viel erwarten darf. Der Trainingsrückstand seines Rennstalls ABT Cupra ist gegenüber den Werksteams ganz einfach zu gross. Dass beim letzten Rennen in Kapstadt/Südafrika auch noch technische Unzulänglichkeiten von Seiten Mahindras dazugekommen sind, macht die Sache für den 31-jährigen Berner nicht leichter.
Dein Team ABT Cupra und das Werksteam von Mahindra mussten beim Formel-E-Rennen in Kapstadt wegen Sicherheitsbedenken auf den Start verzichten. Was war genau das Problem?
Nico Müller: Es gab ein Problem mit den hinteren Querlenkern. Ich hatte im freien Training als erster gespürt, dass sich das Auto komisch verhält.
Ist dieses Problem vorher noch nie aufgetreten?
Die Strecke in Kapstadt war von der Charakteristik her anders als die bisherigen. Der Kurs hat sehr schnelle Kurvenkombinationen und der Belag war wellig. Das hat das Auto offenbar an die Belastungsgrenze gebracht.
Nach einem Drittel der Saison stehen du und das Team (als einziges) noch punktelos da. Kannst du die Saison deshalb frühzeitig abhaken?
Nein, definitiv nicht. Wir haben schon grosse Fortschritte erzielt. Beim Energiemanagement geht es in die richtige Richtung. Und beim vorletzten Rennen in Indien haben wir auch einen Schritt bei der Quali-Performance gemacht. Leider konnten wir das in Südafrika nicht unter Beweis stellen. Aber ich hoffe, dass wir in der zweiten Saisonhälfte noch Punkte sammeln.
Wie gross ist denn euer Testrückstand?
Der ist nicht gegenüber allen Teams gleich gross. Aber die Werkteams haben vor der Saison sechs bis zehn Tage getestet. Wir deren zwei. Und dabei sind wir nicht sehr viel zum Fahren gekommen.
Könnt ihr diesen Rückstand unterm Jahr aufholen oder sind die Testmöglichkeiten limitiert?
Erstens sind die Tage limitiert. Und zweitens haben wir als Kundenteam gar kein Testträger. Den haben nur die Werksrennställe. Insofern müssen wir bei den Rennen den Rückstand verringern. Und das geht natürlich nur, wenn wir auch fahren.
Hat euch der Ausfall von Teamkollege Robin Frijns nach seinem Handgelenkbruch in Mexiko zusätzlich geschwächt?
Geholfen hat das sicher nicht. Denn Robin hat sehr viel Erfahrung in der Formel E.
Vom neuen Auto, dem Gen3, bist du aber begeistert, oder?
Ja, das neue Auto ist ein richtiges Biest. Es ist schmaler, leichter und hat gegenüber dem alten Modell 100 kW mehr. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir nach wie vor nur einen Reifentyp haben – egal, wie kalt, warm, trocken oder nass es ist. Daher ist der Grip ziemlich limitiert. Auch das Bremsen hat sich beim neuen Auto stark verändert. Wir kommen inzwischen ohne die hydraulische Bremse an der Hinterachse aus. Durch die effiziente Rekuperation ist die Software noch wichtiger geworden. Es gibt also massenweise Parameter, die bei der neuen Fahrzeug-Generation den Unterschied ausmachen. Was letztendlich auch unseren Rückstand erklärt.
Lesen Sie nächste Woche, quasi als Vorschau auf die 12 Stunden von Sebring, was Nico Müller über sein WEC-Engagement mit Peugeot sagt.