Die AUTOMOBIL REVUE hat in den vergangenen Wochen mit ihrer Serie «Rennwagen-Porträt» für Aufsehen gesorgt. Wir von Auto Sport Schweiz sind stolz, dass wir die Werke der beiden Autoren Werner Haller und Olivier Derard auch bei uns veröffentlichen dürfen. Teil 6: Der VW Polo von Martin Bürki.
Auf etwas kommt der siebenfache Schweizer Slalommeister Martin Bürki bei der Geschichte seines grün-gelben Polo mehrmals zu sprechen. Er solle anstelle des 1.6-Liter-16V-Motors einen Zweiliter einbauen, raten Freunde. Bürki winkt trotz mehr PS ab, weil das Fahrverhalten darunter leide. Der flache Unterboden und die Wahl des passenden Heckdiffusors benötigten viele Stunden und Kilometer Arbeit, zwecks besserer Fahrbarkeit. «50 Prozent eines schnellen Autos macht sein Fahrverhalten aus – nicht der Motor», begründet der 53-jährige Berner Oberländer seine Ausdauer und Akribie. Genauso hat er seinen Polo Schritt für Schritt verbessert und schneller gemacht.
Gekauft hat Bürki den Polo 2008: «Nur aus Spass. Ich wollte mal einen Polo fahren. Das Auto mit Baujahr 1981 hatte einen Motorschaden.» Dafür hatte es schon vor Bürkis Meisterjahren eine erfolgreiche Geschichte: «Der Polo gehörte zuerst Theo Leutner, dem Gründungsmitglied und vierfachen Gewinner des deutschen KW-Bergcups. Als ich den Polo gekauft habe, war er ein Wrack. Alle haben gelacht. Das hat mich wenig gestört, denn ich habe gewusst: Die Rechung geht am Ende auf.»
Erst hat Bürki aber bezahlt. Beim zweiten Renneinsatz ging bereits das Getriebe des Polo mit originaler H-Schaltung in die Brüche. «Und das später immer wieder, selbst als ich ein unsynchronisiertes Newland-Getriebe eingebaut habe, das beste, wie Kollegen gerne lobten! Der Wagen hatte einfach zu viele PS unter der Haube.» Erst die deutsche Motorsport-Werkstatt Minichberger trat mit einer Lösung an Bürki heran: «Ich solle auf ein sequentielles Sechsgang-Getriebe von Sadev umsteigen – was ich später auch tat, obwohl dieser Einbau Zeit und Geld benötigte.» Seither klopft der Berner Oberländer immer wieder bei den Bayern an: «Den Motor meines Polo lasse ich immer bei Minichberger generalüberholen.»
Darüber hinaus waren es aber Martin Bürki und sein Team selbst, die den Rennwagen nach und nach zum Erfolgsgaranten machten. Vor rund vier Jahren baute der Garagist hinter den Vorderrädern Abwasserkanäle ein: «Erst wollte ich die Luftverwirbelungen aufgrund der Radrotation aus dem Radkasten bringen. Dann kam der Gedanke, das viele Wasser bei Regen seitlich wegzuspülen, damit die Hinterräder weniger Aquaplaning haben.» Es gibt Rennfotos, auf denen zu sehen ist, wie der Polo vermeintlich literweise Wasser aus dem Weg räumt! Der flache Unterboden mit dem Diffusorheck war der nächste Schritt zu besserer Fahrbarkeit. «Ich wollte hinten am Auto nicht bloss einen Flügel aufsetzen, weil es etwa geil aussieht. Vom Unterboden versprach ich mir mehr Abtrieb und eine bessere Windschlüpfrigkeit und damit Einfluss auf das Fahrverhalten.» Heckdiffusoren habe er viele ausprobiert: «Einmal, beim Bergrennen in Les Rangiers, war er so gewaltig, dass das Auto untersteuerte. Das passte mir ganz und gar nicht.» Also weg damit. Er wolle genau wissen, wo die Front des Autos in eine Kurve steche – oder bei einem Slalom um eine Pylone. In dieser langsameren Disziplin sei er meist ohne Unterboden unterwegs, «wegen der vielen Schläge unten ans Auto».
Elementar wichtig für die Fahrbarkeit und den Erfolg sei aber der Umbau der Vorderachse gewesen: «Original besteht die beim Polo aus einem Stück, mit Federbein und Radlager. Ich baute gemäss Sportregelement zwei Trapezlenker ein. So habe ich die Lenkkinematik fast perfektionieren können. Meine Räder haben kaum Sturz.» Das Ende der Entwicklungsmöglichkeiten sei aber nach vielen Jahren erreicht, ist Bürki sicher. Verkaufen will er seinen legendären Polo dennoch nicht. «Es gab Angebote, und ich weiss auch, dass Liebhaber durchaus 70 000 Franken bezahlen würden. Aber fahren können sie das Auto trotzdem nicht, weil es auf mich abgestimmt ist und zu mir passt – wie ein guter Schuh.»
MB POLO
Baujahr: 1981
Karrosserie: Kleinwagen, 3 Türen
L x B x H mm: 3700 x 1780 x 1250
Radstand mm: 2340
Gewicht kg: 730
Motor: 1.6-Liter-Saugmotor, Zylinderkopf von VW-Sport S1600
Leistung PS: 245
0–100 km/h sec: k. A.
Höchstgeschwindigkeit km/h: 189 bei 9800/min
Fahrgestell: KW Competition-Fahrwerk, v. McPherson; h. Verbundachse
AR #15, 9. April 2020, Autor: Werner Haller, www.automobilrevue.ch