Schweizer Rennfahrer haben 2024 auf internationalem Niveau manch einen Titel geholt. Einen ganz speziellen Triumph feierte Ranko Mijatovic (38). Als erster Schweizer gewann er die NLS.
Die Langstreckenmeisterschaft Nürburgring ist eine der erfolgreichsten Breitensportserien in Europas Motorsportszene. Seit 1977 wird sie ausgetragen. Lange kannte man sie unter dem Namen VLN (Veranstaltergemeinschaft Langstreckenmeisterschaft Nürburgring). Seit 2020 heisst sie NLS (Nürburgring Langstrecken-Serie). Einem Schweizer oder einer Schweizerin ist es bisher nicht gelungen, die Meisterschaft zu gewinnen. Bisher! Am vergangenen 16. November hat sich das geändert. Mit Ranko Mijatovic hat sich der erste Eidgenosse in die NLS-Champions-Liste eingetragen. Zusammen mit seinen Teamkollegen, dem Deutschen Sven Markert und dem Briten Toby Goodman, gewann der 38-Jährige aus Egerkingen (SO) sechs der acht Rennen (bei zwei Streichresultaten).
«Ich wusste lange Zeit gar nicht, dass es noch nie einem Schweizer gelungen war, die NLS respektive die VLN zu gewinnen», sagt Mijatovic, dessen Eltern vor mehr als 35 Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Schweiz einwanderten. «Umso stolzer macht es mich, dass ich der erste Schweizer bin, der die Meisterschaft gewinnen konnte.»
Mijatovic ist ein motorsportlicher Spätzünder, sieht man einmal davon ab, dass er in seiner Jugend «Gran Turismo» spielte. Seine ersten Schritte im Rennsport unternahm der zweimalige Schweizer Kickbox-Meister vor rund sechs Jahren. «Ich hatte mir damals ein Rennkart gekauft und habe dann sogar zwei Tage auf einem Formel Renault getestet. Aber aufgrund des Budgets habe ich mich dann für die DMV-BMW-Challenge entschieden.»
Schon früh lernte Mijatovic die Schattenseite des Rennsports kennen. In seinem zweiten Rennen crashte er in Oschersleben, «sodass ich ein halbes Jahr aussetzen musste». Doch er kam zurück und wollte unbedingt auf der Nordschleife fahren. Die berüchtigte «Grüne Hölle» kannte er von Touristenfahrten mit seinem um 300 Kilogramm abgespeckten BMW E92. Und nach dem Erlangen des Permit B fuhr er 2020 seine ersten beiden Rennen. Bis einschliesslich 2023 hatte er auf seinem BMW 330i gegenüber dem Klassenprimus (Adrenalin Motorsport) oft das Nachsehen. Auf diese Saison wechselte Mijatovic zur Konkurrenz und gewann auf Anhieb die ersten vier Rennen. Danach fehlte der Inhaber der Carrosserie Ponticelli aus Kappel (SO) für zwei Rennen – u.a. wegen einer Hochzeit. Erst bei der 55. Adenauer ADAC Rundstrecken-Trophy griff Ranko wieder ins Lenkrad. Und wieder gewannen er und seine Teamkollegen.
Hoffnungen, dass es diesmal vielleicht mit dem Titel klappen würde, hatte Mijatovic zu dieser Zeit aber keine. «Ich hatte mich innerlich bereits mit einem zweiten oder dritten Schlussrang zufrieden gegeben. Ich wusste, dass die #962 vom Team W&S Motorsport beim Finale ihre Klasse zwar wie wir auch gewinnen muss, doch angesichts des bisherigen Saisonverlaufs bin ich davon ausgegangen, dass ihr das problemlos gelingt.» Doch wie sagt man so schön: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Doch bevor Mijatovic jubeln durfte, sah er seine Felle gleich nochmals davonschwimmen. «In unserem Auto leuchtete das ganze Jahr über immer wieder das ESP. Als ich meine Trainingsrunden absolvierte, kam noch das ABS dazu. Allerdings hatte ich das übersehen.» So kam der BMW 240i am Haken zurück an die Box. Und auch im Qualifying lief es nicht besser. Wieder ABS, wieder Reifenstapel. «Ich hatte das Vertrauen komplett verloren», sagt Ranko, der im Rennen den ersten Stint übernahm. Diesmal leuchtete nichts, doch der Fahrer war verunsichert. «Ich spürte vorne rechts Vibrationen und kam nach zwei Runden zum Fahrerwechsel an die Box.» Weil Mijatovic einen Doppelstart machte, stieg er später auf den Porsche Cayman GT4 seines Teams um. Als er mit diesem aus dem berühmten «Karussell» beschleunigen wollte, gab es gelbe Flaggen – und wer stand da? Die Nummer 962…
«Ich konnte es nicht glauben», sagt Mijatovic – ohne Schadenfreude. «Ich sass in diesem Porsche, hatte das ganze Wochenende über Probleme mit dem BMW und doch lagen wir plötzlich auf Meisterkurs.» Die letzten Minuten verbrachte Mijatovic an der Box. Banges Warten war angesagt. Doch am Ende durfte er als erster Schweizer über den Titel in der NLS jubeln.
Wie es mit Ranko 2025 weitergeht, steht noch in den Sternen. Klar würde ihn auch mal eine andere Serie reizen, aber die Nordschleife ist sein Zuhause. Und weil BMW angekündigt hat, 2026 ein neues Auto auf Basis des M2 zu bringen, ist man geneigt zu sagen, dass Mijatovic wohl noch ein paar Jährchen in der «Grünen Hölle» fährt. Na ja, wieso eigentlich nicht? Es gab ja auch noch nie einen Schweizer, der an der Nordschleife seinen Titel erfolgreich verteidigt hat.